Tabuthema Alkohol

Wie umgehen mit dem heimlichen Begleiter am Arbeitsplatz?

Das Foto zeigt einen Becher Bier neben einem Laptop. Alkohol am Arbeitsplatz.
Foto: Pexels, Uriel Mont

Furth im Wald – Der Stellenwert der Gesundheit hat sich in deutschen Unternehmen in den letzten Jahren stark verändert. Immer mehr Betriebe übernehmen Verantwortung für das Wohlergehen ihrer Mitarbeitenden. Neben Burnout-Prävention, Stressmanagement und dem Aufbau von Führungskompetenz gehört dazu auch der richtige Umgang mit Mitarbeitenden, die regelmäßig zu viel trinken oder bereits eine Abhängigkeit von Alkohol entwickelt haben. In Bayerns größter stationärer Einrichtung zur Behandlung von Suchterkrankungen, der Johannesbad Fachklinik in Furth im Wald, lernen Führungskräfte deshalb, wie sie dieser Herausforderung begegnen und warum Prävention nicht nur eine Investition in die mentale Gesundheit, sondern auch in die Produktivität und Sicherheit im Unternehmen ist.

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Fehlzeiten-Report 2020

Erlebte Gerechtigkeit am Arbeitsplatz beeinflusst die Gesundheit der Beschäftigten

Beschäftigte, die sich von ihrer Führungskraft gerecht behandelt fühlen, weisen weniger krankheitsbedingte Fehlzeiten auf. Diejenigen Arbeit-nehmerinnen und Arbeitnehmer, die ihren Vorgesetzten die besten Noten für Fairness geben, kommen durchschnittlich auf nur 12,7 Arbeits-unfähigkeitstage pro Jahr. Dagegen weist die Gruppe der Berufstätigen, die ihren Chef als eher ungerecht wahrnehmen, im Durchschnitt 15,0 Fehltage auf. Dies ist ein Ergebnis des am Dienstag (29. September 2020) vor-gestellten Fehlzeiten-Reports 2020 des Wissenschaftlichen Instituts der AOKs (WIdO). Dafür wurden 2.500 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Alter von 18 bis 65 Jahren zu ihrem Gerechtigkeitsempfinden am Arbeitsplatz befragt und die Auswirkungen auf die Gesundheit analysiert. „Gefühlte Ungerechtigkeit bringt dabei insbesondere emotionale Irritationen und psychosomatische Beschwerden mit sich“, sagt Helmut Schröder, stellvertretender Geschäftsführer des WIdO und Mitherausgeber des Fehlzeiten-Reports 2020. Nahezu ein Viertel der Beschäftigten, die sich von ihrem Vorgesetzten ungerecht behandelt fühlen, berichtet über Gefühle der Gereiztheit wie Wut und Ärger (23,3 Prozent), rund jeder Fünfte über Lustlosigkeit (21,2 Prozent), Erschöpfung (19,7 Prozent) oder Schlafstörungen (18,1 Prozent). Sogar körperliche Beschwerden wie Rücken- und Gelenkschmerzen (25,8 Prozent) oder Kopfschmerzen (10,2 Prozent) kommen häufiger vor. Im Mittel über alle Beschwerden berichten immerhin 13,0 Prozent dieser Beschäftigten über eine höhere Betroffenheit. Demgegenüber treten diese Beschwerden in der Gruppe, die ihre Führungskraft als fair bewerten, deutlich seltener auf (3,4 Prozent).

Screenshot zur Auswertung.

Schröder: „Die gesundheitlichen Belastungen bei Beschäftigten mit einer als fair empfundenen Führungskraft sind damit nur ein Viertel so hoch wie bei den Beschäftigten mit einer als unfair empfundenen Führungskraft. “Die Befragung zeigt zudem, dass empfundene Fairness des Unternehmens und der Führungskraft mit einer hohen Bindung des Beschäftigten an das Unternehmen einhergeht. Sie fühlen sich im Unternehmen gut aufgehoben, stark verbunden und würden ihr Unternehmen als Arbeitgeber auch weiterempfehlen. „Auch dies ist in Zeiten des Fachkräftemangels ein wichtiges Ergebnis: Fairen Betrieben gelingt es eher, hochqualifizierte, selbstständig arbeitende, zufriedene und gesunde Beschäftigte auch dauerhaft an das Unternehmen zu binden“, erklärt Schröder. Ob ein Unternehmen als gerecht oder ungerecht eingeschätzt wird, hängt der Studie zufolge vor allem mit der jeweiligen Führungskraft zusammen, die eine zentrale Scharnierfunktion zwischen Unternehmensleitung und Mitarbeitenden darstellt. Martin Litsch, Vorstandsvorsitzender des AOK-Bundesverbandes, unterstreicht daher deren Bedeutung für Krankenstand und gesunde Unternehmenskultur: „Das Handeln von Führungskräften und ihr Umgang mit Beschäftigten beeinflussen das Gerechtigkeitsempfinden der Arbeitnehmerinnen sowie Arbeitnehmer und damit auch deren gesundheitliche Verfassung.“ Aufgrund ihrer Schlüsselrolle nimmt die AOK diese Zielgruppe im Rahmen des Betrieblichen Gesundheitsmanagements (BGM) besonders in den Fokus. Litsch: „Bei den Präventionsangeboten aller gesetzlichen Krankenkassen für die mittlere betriebliche Leitungsebene hat die AOK einen Anteil von 71 Prozent.“ Die Studie zeigt auch, dass als gerecht eingestufte Führungskräfte die Bindung der Beschäftigten ans Unternehmen fördern. So sind es eben nicht nur monetäre Aspekte, weshalb Berufstätige ihrem Arbeitsplatz die Treue halten. „Neben der Bewertung einzelner Entscheidungen hat für Beschäftigte auch die gelebte Unternehmenskultur erheblichen Einfluss, was wiederum Folgewirkungen für die Arbeitgeberattraktivität und die Gesundheit hat. Ein erlebtes Wir-Gefühl stärkt daher die Bindungskraft und erhöht das Vertrauen. Dadurch steigt auch die intrinsische Motivation, Herausforderungen und Krisen gemeinsam zu bewältigen“, erklärt Prof. Dr. Bernhard Badura, Gesundheitswissenschaftler der Universität Bielefeld und ebenfalls Mitherausgeber des Fehlzeiten-Reports 2020. Was für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Job also vor allem zählt, sind Anerkennung, Vertrau-en und eine faire Streitkultur.

Auswertung: Fairness mit weniger Beschwerden verbunden.

Doch genau hier haben viele Unternehmen noch Nachholbedarf: Jedem zweiten Beschäftigten (46,4 Prozent) fehlt es derzeit an gerechten Konfliktlösungen. Wertschätzung im Job vermissen 40,8 Prozent. Und auch die Rückendeckung kommt zu kurz: Rund ein Drittel (32,9 Prozent) der Befragten bemängelt, dass das Unternehmen nicht hinter dem Personal steht. Anerkennung und Wertschätzung – Ressourcen, die AOK-Vorstand Litsch auch mit Blick auf die rund 1,6 Millionen Berufstätigen in den Pflegeberufen hervorhebt: „Die Corona-Pandemie hat uns wieder einmal vor Augen geführt, wie wichtig dieser Berufszweig für unsere Gesellschaft ist. Gleichzeitig sind die Menschen in pflegenden Berufen täglich enormen körperlichen und psychischen Belastungen ausgesetzt, was sich in deutlich höheren Fehlzeiten niederschlägt. Es ist daher unsere Pflicht, diese Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zukünftig noch stärker zu schützen.“ Gemeinsam mit verschiedenen Universitäten hat die AOK daher ein neues, speziell auf die Pflege abgestimmtes BGM-Konzept namens Care4Care entwickelt. Das Programm wird derzeit in verschiedenen Einrichtungen pilotiert.Der Fehlzeiten-Report 2020, der vom Wissenschaftlichen Institut der AOK (WIdO) in Zusammenarbeit mit der Universität Bielefeld und der Beuth Hochschule für Technik Berlin herausgegeben wird, widmet sich dem Schwerpunkt „Gerechtigkeit und Gesundheit“. In 20 Fachbeiträgen betrachten Experten das Thema aus unterschiedlichen Perspektiven. „Führungskräfte tragen Mitverantwortung für die Gesundheit ihrer Mitarbeitenden. Informieren sich Topmanagement und Führungskräfte nicht regelmäßig darüber und über die Qualität der Zusammenarbeit in Form einer gesicherten Dateninfrastruktur, beispielsweise mit Hilfe von Routinedaten, Daten aus Mitarbeiterbefragungen oder internen Audits, fehlen Grundlagen zur glaubwürdigen Identifizierung von Handlungsbedarf und zur Dokumentation erzielter Fortschritte“, hebt Prof. Badura die Bedeutung des diesjährigen Fehlzeiten-Reports hervor.

Globales Atmen

Die Corona-Pandemie verändert unseren Blick auf die Welt.

Prof. Dr. Peter van der Veer ist Direktor der
Abteilung Religiöse Vielfalt am Max-Planck-Institut
zur Erforschung multireligiöser und multiethnischer
Gesellschaften in Göttingen.
© MPI-MMG, 2019. Foto: die drehen
| benjamin klingebiel

Betrachtet man, wie sich einzelne Menschen oder auch verschiedene Gesellschaften in der Krise verhalten, treten plötzlich erstaunliche Gemeinsamkeiten und Unterschiede zutage. Peter van der Veer, Direktor am Max-Planck-Institut zur Erforschung multireligiöser und multiethnischer Gesellschaften befasst sich seit langem mit asiatischen Kulturen. In seinem Essay vergleicht er, wie man in Asien und in der westlichen Welt mit Gesichtsmasken, Toilettenpapier und der Angst vor dem Tod umgeht.

In Indien und China haben Atemtechniken in spirituellen Praktiken wie Yoga und Qi Gong eine lange Geschichte. In der hinduistischen, daoistischen und buddhistischen Tradition ist die Steuerung der Atmung nicht nur von grundlegender Bedeutung für das Leben, sondern auch für das spirituelle Wachstum. Dieser Gedanke findet sich auch in islamischen und christlichen Traditionen wieder. Heute erleben wir, wie die globale Ausbreitung eines Virus unsere Fähigkeit zu Atmen angreift. Keine spirituelle Atemtechnik kann uns helfen, in dieser Krise die Kontrolle über unsere Atmung zu bewahren. Man ist gezwungen, sich Beatmungsapparaten anzuvertrauen, solange man gegen das Virus kämpft.

Das Coronavirus ist ein Angriff auf den Körper, sowohl auf den Körper jedes einzelnen als auch auf den Staatskörper. Die Medien haben vor allem letzteren im Blick. Daher möchte ich hier die Rolle des menschlichen Körpers sowie dessen kulturelle Bedeutung während der Pandemie thematisieren. Plötzlich sind wir uns bewusst, wie häufig wir uns im Gesicht berühren und wie selten wir uns doch die Hände waschen. Auch die für Großstädter typische Erfahrung, dicht gedrängt zusammenzuleben, wandelt sich: Man weicht sich aus und geht auf Distanz zu seinen Mitmenschen. Diese Disziplinierung des Körpers ruft starke Emotionen bei uns hervor, die eine genauere Analyse verdienen.

Besonders aufgefallen sind mir zwei erstaunliche Phänomene: Da ist zum einen das Tragen von Gesichtsmasken. Während Bevölkerungen in Ost- und Südostasien offenbar keinesfalls mit Widerwillen ihr Gesicht bedecken, zeigen sich westliche Gesellschaften sehr skeptisch. In manchen westlichen Ländern dreht sich die Debatte vor allem um scheinbar nüchterne Fragen wie um die Wirksamkeit von Gesichtsmasken, ihre Anwendbarkeit bei Kindern oder Menschen mit Behinderungen oder einfach um ihre Verfügbarkeit.

Die Maske als Sinnbild kollektiven Gehorsams

Hinter diesen rationalen Diskussionen steckt ein latentes Unbehagen gegenüber dem Verbergen unseres Gesichts und, damit verbunden, unserer Individualität. Es gibt Ängste, dass sich die Gesellschaft in eine gesichtslose Masse verwandeln könnte. Das wird verstärkt durch die Befürchtung, die Kontrolle über den eigenen Körper zu verlieren, gerade wenn staatliche Behörden solche Verhaltensrestriktionen anordnen. Die Maske wird so zu einem Sinnbild des kollektiven Gehorsams gegenüber einer äußeren Instanz. Schon früher zeigten sich ähnliche emotionale Reaktionen gegen die Verschleierung muslimischer Frauen und andere islamische Bekleidungsregeln. Gesicht zu zeigen, scheint eine unabdingbare Voraussetzung zu sein für die wahre Teilhabe am Leben in westlichen Gesellschaften.

In Ostasien wird diese Einstellung nicht geteilt. Japan ist in vielerlei Hinsicht Vorreiter der asiatischen Moderne. Infolge der sogenannten Spanischen Grippe in den 1920er-Jahren (die ihren Ursprung in Wirklichkeit in den USA und nicht in Spanien hatte) fand die Gesichtsmaske in Japan allgemeine Akzeptanz. Überhaupt gehen Japaner in der täglichen Hygiene sehr methodisch vor. Regelmäßiges Händewaschen und das Tragen von Handschuhen sind in Japan weit verbreitet. Diese Verhaltensweisen sind auch Ausdruck eines Bürgersinns, der von Rücksicht gegenüber den Mitmenschen geprägt ist.

Chinesen hingegen sagt man nicht gerade nach, dass sie im Alltag großen Wert auf Hygiene legten. So wurden noch bis vor kurzem lebende und frisch geschlachtete Tiere in den vor allem bei älteren Menschen beliebten Märkten auf offener Straße angeboten. Nach den durch SARS 1 und 2 verursachten Pandemien wurden diese Straßenmärkte schnell als Brutstätten für gefährliche Viren identifiziert. Gleichwohl haben sich Gesichtsmasken auch im öffentlichen Leben Chinas durchgesetzt, vor allem als Reaktion auf die zunehmende Luftverschmutzung. Dies gilt auch für andere Länder Südostasiens. Das Gefühl von Gesichtsverlust, das Menschen in den westlichen Ländern beim Tragen einer Maske verspüren, scheint Gesellschaften in Ost- und Südostasien weniger zu stören – gegenläufig zu dem verbreiteten Vorurteil, Asiaten seien darauf bedacht, ihr „Gesicht zu wahren“.

Die Toilette ist der Grenzbereich zwischen Kultur und Natur

Die andere körperbezogene Reaktion auf die virale Bedrohung, die mich beschäftigt, ist die starke Nachfrage nach Toilettenpapier bei Deutschen und Niederländern. Warum wird Toilettenpapier als eine solch absolute Notwendigkeit empfunden? Aus anthropologischer Sicht ist die Toilette der Grenzbereich zwischen Kultur und Natur. Solange man Toilettenpapier hat, bewahrt man seine Würde und kann dem Virus trotzen, das uns so stark daran erinnert, dass wir Teil der Natur sind. Die natürliche Verletzlichkeit des Körpers auf der Toilette erfordert Praktiken, die eine zivilisierte Distanz zur Natur schaffen.

Auch hier lassen sich wiederum deutliche Unterschiede zu asiatischen Gesellschaften beobachten. In vielen Teilen Asiens reinigt man sich lieber mit Wasser; und auch hier sind die Japaner mit ihren spektakulären Toilettensystemen in der gegenwärtigen Kultur führend. Auf indischen Toiletten hingegen findet man oft nur einen kleinen Topf mit Wasser. Die linke Hand wird auf der Toilette benutzt, die rechte beim Essen. Dabei reinigen Angehörige höherer Kasten kaum ihre Toiletten selbst, sondern greifen auf Dienste unterer Kasten zurück. Ein wichtiger Aspekt der sozialen Reformen Gandhis bestand im Aufruf, dass jeder selbst seine Toilette reinigen sollte. Im ländlichen Raum Chinas ist Toilettenpapier rar, während in den chinesischen Städten das Abwassersystem oft damit überfordert ist. Nur in Hong Kong war während der Pandemie eine große Nachfrage nach Toilettenpapier zu beobachten, vielleicht auch um zu zeigen, dass Hong Kong zum westlichen Kulturraum gehört.

Die drastischste körperliche Reaktion auf das Virus ist letztlich der Tod, das Ende der körperlichen Existenz. Hier haben die Gesellschaften Asiens und des Westens etwas gemeinsam. In mehrerlei Hinsicht wird der Tod hier wie dort verleugnet. Er ist ein Thema, das gemieden, das in Krankenhäuser und auf Friedhöfe verlagert wird. Obwohl der Tod alltäglich ist, habe ich es bis dato nicht erlebt, dass jeden Tag die Zahl der Sterbefälle veröffentlicht wird. In Holland fällt mir auf, wie profan die Reaktionen auf die unvermeidliche Sterblichkeit der Menschen ausfallen. Es besteht vor allem die Sorge, mehr noch die Angst, alleine zu sterben, ohne Familie und Freunde; aber ich habe keine religiösen Reaktionen beobachtet. Dabei fallen der Tod und die Trauer um die Toten eigentlich seit jeher in den Bereich der Religionen. Nur mittels wissenschaftlicher Befragungen und teilnehmender Beobachtungen von Betroffenen, können wir herausfinden, wie die Reaktionen in Asien waren. Doch solche Feldforschung ist uns in diesen Zeiten der Abgrenzung nur schwer möglich.

Dieses Essay ist die gekürzte Version des Blogbeitrags „Global Breathing“, der am 24. April 2020 auf der Webseite des Max-Planck-Institut zur Erforschung multireligiöser und multiethnischer Gesellschaften erschienen ist. Aus dem Englischen von Eva Völker.

Professionelles Coaching lindert Burnout-Symptome bei Ärzten

ROCHESTER, Minnesota (USA) — Ärzte in den USA leiden doppelt so häufig an Burnout-Symptomen wie andere Arbeitnehmer, was die Qualität der Versorgung beeinträchtigen und Patienten gefährden kann.

In einer in JAMA Internal Medicine veröffentlichten Studie stellen Forscher von Mayo Clinic einen neuen Ansatz zur Bekämpfung von Burnout vor: externes professionelles Coaching.

Die Weltgesundheitsorganisation definiert Burnout als „Gefühl der Energielosigkeit und Erschöpfung; erhöhte geistige Distanziertheit zur eigenen Arbeit, negative Gefühle oder Zynismus im Zusammenhang mit der eigenen Arbeit sowie verminderte berufliche Leistungsfähigkeit“, was sowohl für Ärzte als auch für die von ihnen behandelten Patienten ein Problem darstellt. Diese von Dr. med. Liselotte Dyrbye und Dr. med. Dr. phil. Colin West durchgeführte Studie untersucht den Einsatz von externem professionellem Coaching zur Reduzierung von Burnout. Schwerpunkte des Coachings sind die Festlegung beruflicher Ziele, Arbeitsentscheidungen, berufliche Beziehungen und die Herbeiführung von Veränderungen am Arbeitsplatz. Zwar wurde das Coaching in anderen Bereichen bereits von Forschern untersucht, doch dies ist die erste Studie, die sich speziell der Wirkung bei Ärzten widmet, die an Burnout leiden.

„Ärzte bei ihren Berufsentscheidungen und bei der Bewältigung von arbeitsbedingtem Stress zu unterstützen, ist sehr wichtig“, sagt Dr. Dyrbye. „Zwar erfahren viele dieser Ärzte auf informeller Ebene gute Unterstützung, aber professionelle Coaches können eine Vielzahl von Themen und Bedürfnissen ansprechen und eine sichere Umgebung bieten, in der Ärzte ihre Schwächen und Unsicherheiten zugeben können. Wir sind der Meinung, dass dadurch die Fähigkeit von Ärzten verbessern wird, ihre Karriere zu managen und die schädlichen Aspekte ihres Arbeitsumfelds zu ändern, so dass sie letztendlich gute Arbeit leisten können, ohne sich überfordert zu fühlen.“

Die Teilnehmer – 88 praktizierende Ärzte – füllten zu Beginn der Studie mehrere Fragebögen zur Selbsteinschätzung aus, in denen es um die Themen Burnout, Lebensqualität, Belastbarkeit und Arbeitszufriedenheit ging. Anschließend absolvierten sie 6 Sitzungen mit einem nichtärztlichen professionellen Coach, der mit den Ärzten Problemstellungen ihrer Wahl erörterte. Nach diesen sechs Sitzungen füllten die Ärzte die gleichen Fragebögen erneut aus, um ihre Fortschritte aufzuzeichnen.

Die Ergebnisse waren vielversprechend. Die Ärzte berichteten nach dem Coaching von weniger Burnout und einer höheren Lebensqualität als zuvor. Darüber hinaus führten die Forscher diese Tests auch mit Ärzten durch, die nicht gecoacht wurden. Über den gleichen Zeitraum berichteten diese Ärzte von einer stärkeren emotionalen Erschöpfung und einer geringeren Lebensqualität, was zeigte, dass sich die Symptome verschlimmern können, wenn nichts unternommen wird.

Die Wirksamkeit von professionellem Coaching in Kombination mit anderen Programmen muss noch weiter erforscht werden. Die Ergebnisse legen jedoch nahe, dass Coaching in eine wachsende Liste evidenzbasierter Instrumente aufgenommen werden kann, die Ärzte und indirekt auch deren Patienten unterstützen. Professionelles Coaching ist zwar nützlich, sollte jedoch parallel zu organisatorischen Anstrengungen zur Verbesserung des beruflichen Umfelds und zur Beseitigung der Ursachen von Burnout bei Ärzten angeboten werden.

Weitere Koautoren der Studie sind Dr. Priscilla Gill und Daniel Satele, Mayo Clinic sowie Dr. med. Tait Shanafelt, Stanford University. Die Studie wurde von der Physicians Foundation und Mayo Clinic finanziert.

Über Mayo Clinic
Mayo Clinic ist eine gemeinnützige Organisation, die sich der klinischen Praxis, der Ausbildung und der Forschung widmet und kranken Menschen eine kompetente und umfassende medizinische Versorgung bietet. 
Hier erfahren Sie mehr über Mayo Clinic (auf Englisch). Hier finden Sie das Mayo Clinic Nachrichtennetz (auf Englisch). 

Wie steht es um das Wohlbefinden von Führungskräften?

Forschungsteam aus Kiel, Frankfurt und Koblenz-Landau veröffentlicht Metastudie

Organisieren, koordinieren, Verantwortung tragen – Führungskräfte müssen viel leisten und ein verlässlicher Faktor für Unternehmen und Mitarbeitende sein. Da spielt ihre Gesundheit eine entscheidende Rolle. Erkenntnisse über das Wohlbefinden von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gibt es in der Wissenschaft bereits. Weniger bekannt ist, wie es um das Wohlbefinden von Führungskräften steht und wie sich das auf ihren Führungsstil auswirkt. Ein Forschungsteam von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU), der Goethe-Universität Frankfurt am Main und der Universität Koblenz-Landau veröffentlichte kürzlich eine Metastudie über dieses Zusammenspiel in dem international renommierten Fachjournal Work & Stress.

Wohlbefinden und Führungsstil hängen zusammen

„Für den Zusammenhang zwischen dem Führungsverhalten von Führungskräften und ihrem eigenen Wohlbefinden nahmen wir an, dass die Art, wie sie ein Team anleiten dann positiv ausfällt, wenn sie zufrieden sind und es ihnen gut geht. Das erleichtert dann wiederum, positives Führungsverhalten zu zeigen“, sagt Ko-Autorin Professorin Claudia Buengeler vom Kieler Institut für Betriebswirtschaftslehre. Die Metastudie bestätigt die Annahmen des Forschungsteams, dass ein hohes Wohlbefinden mit konstruktivem Führungsverhalten in Zusammenhang steht. Ferner fand das Team heraus, dass gestresste, emotional erschöpfte und von Burnout bedrohte Vorgesetzte zu einem eher negativen Führungsstil neigen beziehungsweise, dass negatives Führen mit einem geringeren Wohlbefinden in Zusammenhang steht.

Originalpublikation:

Antonia J. Kaluza, Diana Boer, Claudia Buengeler & Rolf van Dick (2019): Leadership behaviour and leader self-reported well-being: A review, integration and meta-analytic examination, Work & Stress, DOI: 10.1080/02678373.2019.1617369

Theoretische und empirische Erkenntnisse miteinander verknüpfen

Das Forschungsteam besteht neben Claudia Buengeler aus Erstautorin Antonia Kaluza (Institut für Psychologie an der Goethe-Universität Frankfurt am Main), Diana Boer (Institut für Psychologie an der Universität Koblenz-Landau) sowie Rolf van Dick (ebenfalls Institut für Psychologie an der Goethe-Universität Frankfurt am Main). Für die Metastudie haben sie zunächst die wichtigsten Theorien über den Zusammenhang zwischen dem Wohlbefinden von Führungskräften und ihrem Führungsstil aus insgesamt 88 Forschungsarbeiten zusammengetragen und neu bewertet. Anschließend haben sie die Ergebnisse dieser Studien, in denen über 12.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer befragt wurden, statistisch zusammengefasst. Dieses Vorgehen erlaubt, den Forschungsstand eines Forschungsfeldes sowohl theoretisch als auch empirisch zu integrieren und somit einen hohen Erkenntnisgewinn zu generieren.

Ein Anlass für eine Metaanalyse sei laut Buengeler aus folgendem Grund gegeben: „In der Personalforschung kam das Thema Gesundheit, insbesondere in Bezug auf Führungskräfte, erstmals vor rund zehn bis 20 Jahren auf, nur wenige Studien sind älter. Nach dem Wohlergehen von Führungskräften zu fragen war – wenn überhaupt – oft nur ein Nebenschauplatz.“ Sie fügt hinzu: „Wir haben es also mit einem sehr jungen Forschungsfeld zu tun, in dem gerade in den letzten Jahren ein sprunghafter Anstieg von wissenschaftlichen Veröffentlichungen zu verzeichnen ist. Unsere Metaanalyse fasst all diese Erkenntnisse zusammen und kann somit richtungsweisend für zukünftige Forschung auf diesem Gebiet sowie die Unternehmenspraxis sein.“

Drei konstruktive Führungsstile, ein positiver Effekt

Es gibt drei Arten von konstruktiven Führungsstilen: Um eine Führungsrolle erfolgreich auszuüben, kann der Teamleiter oder die Teamleiterin beziehungsorientiert, veränderungsorientiert oder aufgabenorientiert führen. Die beziehungsorientierte Herangehensweise zeichnet sich durch das Schaffen einer positiven Arbeitsbeziehung – durch ein Geben und Nehmen zwischen Führungskraft und Mitarbeitenden – aus. Dabei stehen die Bedürfnisse der Mitarbeitenden im Fokus; sie fühlen sich unterstützt. Veränderungsorientiert (zum Beispiel durch transformationale Führung) geht vor, wer seine Mitarbeitenden aus eigenem Antrieb heraus (also intrinsisch) motiviert, über sich selbst hinauszuwachsen und Veränderungen offen gegenüber zu stehen. Beim aufgabenorientierten Vorgehen (etwa durch transaktionale oder direktive Führung) macht die Führungskraft klare Vorgaben und überwacht die Zielerreichung.

„Wir konnten feststellen, dass alle drei konstruktiven Führungsstile einen positiven Zusammenhang mit dem Wohlbefinden der Führungskräfte aufweisen“, sagt Buengeler. „Den stärksten Einfluss hat der veränderungsorientierte Ansatz, den zweitstärksten der beziehungsorientierte, gefolgt von der aufgabenorientierten Herangehensweise. Umgekehrt gehen wir davon aus, dass sich ein hohes Wohlbefinden positiv auf das von Führungskräften gezeigte Führungsverhalten auswirkt.“

Destruktive Führung begünstigt schlechtes Wohlbefinden

Unter destruktiver Führung leiden beispielsweise die Arbeitszufriedenheit, das Engagement sowie das Wohlbefinden der Mitarbeitenden – Stress wird dadurch auch bei den Führungskräften verstärkt. Destruktive Führung beinhaltet neben einem aktiv destruktiven Stil (zum Beispiel despotisches oder autokratisches Verhalten, psychischer Missbrauch, Mobbing) auch passives Führungsverhalten.

Passives Verhalten äußert sich zum Beispiel in einer Laissez-faire-Führung. Das Problem hier: Die Führungskraft führt ihre Mitarbeitenden nicht, setzt keine Grenzen, nimmt ihnen keine Entscheidungen ab oder ist einfach nicht für sie da. Das Forschungsteam konnte zeigen, dass aktiv destruktive Führung zwar stärker negativ mit dem Wohlbefinden der Führungskräfte in Zusammenhang steht als passive Führung. Dennoch wirkt auch passive Führung keineswegs neutral, sondern negativ auf ihr Wohlbefinden. Da das Verhalten von Führungskräften wiederum das Wohlbefinden von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern beeinflusst, sind die Vermeidung von destruktivem Führungsverhalten sowie die Stärkung des Wohlbefindens von Führungskräften wichtige Ansatzpunkte für ein nachhaltiges Gesundheitsmanagement in Unternehmen.

Bewusstsein schaffen und Maßnahmen entwickeln

Das Ziel der Studie ist zum einen, ein Bewusstsein in der Gesellschaft dafür zu schaffen, dass das Wohlbefinden von Führungskräften ebenso wichtig ist wie das der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sie anleiten. Zum anderen geht es darum, negative Verhaltensmuster zu erkennen, diese zu durchbrechen und sie langfristig zu verändern. „Um strukturelle Maßnahmen zu schaffen, die den Führungskräften helfen, ihre Rolle effektiv auszuüben, muss zunächst klar sein, was bei schlechtem Wohlbefinden tatsächlich helfen kann“, meint Buengeler. „Neben gezielten Trainingsmaßnahmen für Führungskräfte sind Unternehmen auch gefragt, mehr Freiräume zu schaffen und Zeit einzuräumen, damit Führungskräfte ihre Rolle reflektierter und aktiver wahrnehmen können.“

Die Metastudie bildet den Auftakt einer Reihe von Veröffentlichungen rund um das Thema Führung und Gesundheit. An dem Gesamtprojekt ist auch die Amsterdam Business School der Universität Amsterdam beteiligt.

Stadt Heidelberg startet durch

 

Gute Personalarbeit zahlt sich aus

Die Stadt Heidelberg lässt aufhorchen – nicht nur durch ihr romantisches Flair, das sich bis in die tiefsten Täler der Rocky Mountains herum gesprochen hat, sondern hierzulande vor allem durch den hohen Grad der Mitarbeiterzufriedenheit ihrer ca. 2.600 Angestellten.

Im Vergleich zur ersten Personalbefragung vor gut 6 Jahren wurde in der zweiten Befragung Ende 2015 eine um 10% höhere Zufriedenheit festgestellt.

Gut 60 % der Mitarbeiter gaben ihren Fragebogen ab und Dreiviertel davon waren mit den Arbeitsbedingungen zufrieden bis sehr zufrieden.

Nur 6 % sind insgesamt weniger oder gar nicht zufrieden. Dazu gehören überwiegend Teilzeitbeschäftigte, die ihr Stundenkontingent gerne verändern würden.

Die Befragung bezog sich im Einzelnen auf die Bereiche:

Einrichtung des Arbeitsplatzes, Führungskultur / Personalgespräche, Vereinbarkeit von Familie, Karriere & Beruf, Chancengleichheit, Fort-und Weiterbildungen und Empfehlung des Arbeitgebers.

Bei der Zusammenarbeit im Team überschritt die Nennung „gut“ sogar die 80% Marke.

Gründe für diese Verbesserung lagen in den diversen internen und externen Maßnahmen, die Roland Haag, Leiter des Personal- und Organisationsamtes der Stadt Heidelberg in seiner Abteilung initiierte.

So wurde z.B. in der Studie „AVITA – aktiv und vital ins Alter“ zur körperlichen und mentalen Fitness, an der ca. 200 ältere Mitarbeiter*innen teilnahmen, die Beweglichkeit messbar gesteigert und dadurch der Krankenstand erheblich minimiert.

Betriebliches Gesundheitsmanagement

Das betriebliche Gesundheitsmanagement, zu dem auch Lebensarbeitszeit-Konten gehören, und der bewusste, respektvolle Umgang mit älteren Mitarbeitern tragen bereits sichtbare Früchte.

Ebenso machte die Abteilung Personal sehr gute Erfahrung mit einem Konzept zum Wissens- und Erfahrungstransfer, das von den Mitarbeitenden selbst aufgesetzt wurde.

Diese Ergebnisse machen deutlich, dass mit visionärer Sichtweise und pragmatischem Ansatz die Zufriedenheit am Arbeitsplatz gesteigert und die Motivation der Mitarbeiter um ein Vielfaches erhöht werden kann.

Dies gilt natürlich nicht nur für Beschäftigte in städtischen Verwaltungen – wie die Anfrage der SAP Zentrale bei der Stadt Heidelberg zeigt – sondern kann allen Unternehmen und Organisationen als Best-Practice-Beispiel dienen.

Wer sich die Verbesserung der Bedingungen am Arbeitsplatz auf die Fahne geschrieben hat, wird Anregungen auch auf den websites der Berufsgenossenschaften finden.

 

 

Erhöhtes Burnout-Risiko für Erzieherinnen

Kita-Stress: Viele Erzieherinnen haben ein erhöhtes Burnout-Risiko

Der Kita-Streik hat es einmal mehr ins öffentliche Bewusstsein gerückt: Erzieherinnen werden in Deutschland oft nicht gut bezahlt, und ihrer Arbeit wird vielfach zu wenig Wertschätzung entgegengebracht. „Oft wird übersehen, dass Erzieherinnen ein hohes Maß an Verantwortung tragen und vielfältige berufsspezifische Belastungen bewältigen müssen“, sagt Professor Johannes Jungbauer vom Institut für Gesundheitsforschung und Soziale Psychiatrie der Katholischen Hochschule Aachen. Wie stark und wodurch Erzieherinnen in ihrem Beruf belastet sind, hat er in einer Studie untersucht, die er in der Fachzeitschrift „Das Gesundheitswesen“ vorstellt (Georg Thieme Verlag, Stuttgart. 2015).

Für die Erhebung hatten Jungbauer und sein wissenschaftlicher Mitarbeiter Sebastian Ehlen Fragebögen in Kindergärten und anderen Betreuungseinrichtungen verteilt, sowie ins Internet gestellt. Auf diese Weise erreichten sie 834 Erzieherinnen und Erzieher, die anonym die Fragen der an der Universität Köln entwickelten Burnout-Screening Skala (BOSS) beantworteten. Die Skala erfasst körperliche, psychische und psychosoziale Beschwerden, die typischerweise im Rahmen eines Burnout-Syndroms auftreten.

Wie die Auswertung ergab, fühlen sich Erzieherinnen und Erzieher deutlich stärker durch beruflichen Stress belastet als der Durchschnitt der Arbeitnehmer, für die BOSS-Referenzwerte vorliegen. Als Stressursachen gaben die Teilnehmer vor allem einen schlechten Betreuungsschlüssel mit zu großen Gruppen für zu wenige Erzieherinnen an. Der daraus resultierende Zeitdruck und das ständige „Multi-Tasking“ werden als sehr belastend erlebt – eine Situation, die sich weiter verschärft, wenn Kolleginnen krankheitsbedingt ausfallen. Als weitere belastende Faktoren wurden die Elternarbeit und die zunehmende Bürokratisierung des Kita-Alltags genannt.

Mit Zeitdruck und hohen Erwartungen haben auch Angehörige anderer Berufsgruppen zu kämpfen. „Aufgrund der kontinuierlichen Beziehungs- und Gefühlsarbeit ist der Erzieherinnenberuf jedoch psychisch oft sehr fordernd und anstrengend“, erläutert Johannes Jungbauer. Dabei rührt die Belastung offenbar gleichermaßen von der Arbeit mit den Kindern wie von der Elternarbeit her. Denn in der Studie klagten Erzieherinnen in sozialen Brennpunkten trotz schwierigerer Kinder nicht über höhere Stressbelastungen als Erzieherinnen, die in privilegierten Wohnvierteln arbeiteten. „Je gehobener das Wohnumfeld, desto höher sind offenbar die Ansprüche der Eltern und desto stärker der dadurch erlebte Druck“, so die Analyse der Aachener Wissenschaftler.

Der Stress in der Kita bleibt nicht ohne gesundheitliche Folgen – auch das zeigt die Studie: Je größer die Stressbelastung, desto höher ist auch das Risiko für Schlafprobleme, für einen Verlust an Lebensfreude, für die Unfähigkeit abzuschalten und für eine stärkere Infektanfälligkeit. Fast jeder fünfte Teilnehmer weist BOSS-Werte auf, die auf ein stark erhöhtes Burnout-Risiko hindeuten.

Um die Arbeitsbedingungen für die Erzieherinnen substanziell zu verbessern, sei nicht nur eine bessere Personalausstattung erforderlich, so die Studienautoren. Auch Fortbildungen, etwa zur Gestaltung der Elternarbeit, zur Selbstfürsorge oder zur Verbesserung der kollegialen Zusammenarbeit seien sinnvolle Maßnahmen. „Das gibt es nicht zum Nulltarif“, sagt Jungbauer. Investitionen in diesem Bereich zahlten sich aber langfristig aus – nicht zuletzt durch eine verbesserte Betreuungsqualität für die Kinder.
J. Jungbauer und S. Ehlen:
Stressbelastungen und Burnout-Risiko bei Erzieherinnen in Kindertagesstätten: Ergebnisse einer Fragebogenstudie
Das Gesundheitswesen 2015; 77 (6); S. 418-423

Erinnerungen beeinflussen Entscheidung für oder gegen bestimmtes Essen

Je besser wir uns an etwas erinnern, desto eher entscheiden wir uns dafür – auch wenn das Angebot weniger attraktiv ist als Alternativen.

Wissenschaftler vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) und der Universität Basel belegen in einer Studie, in der verschiedene Essensangebote zur Wahl standen, wie das Gedächtnis die Entscheidungen beeinflusst. Mithilfe von Gehirnscans konnten die Forscher zeigen, dass diesem Einfluss eine verstärkte Kommunikation zwischen den beteiligten Hirnarealen zugrunde liegt. Ihre Studienergebnisse sind jetzt in der Wissenschaftszeitschrift Neuron erschienen.

„Viele unserer alltäglichen Entscheidungen wie zum Beispiel ´In welches Restaurant gehen wir essen?´ stützen sich auf den Abruf relevanter Informationen aus dem Gedächtnis. Die neuronalen und kognitiven Mechanismen solcher Entscheidungen sind aber bisher kaum untersucht worden“, erläutert Prof. Dr. Christian Büchel, Direktor des Instituts für Systemische Neurowissenschaften des UKE. Bekannt ist, dass bei diesen Gehirnprozessen der Hippocampus, eine klassische „Gedächtnis-Region“, und der ventromediale präfrontale Kortex im Stirnlappen, eine „Entscheidungs-Region“, beteiligt sind.

In der Studie hatten 30 hungrige, jüngere Probanden eine Aufgabe zu lösen, bei der sie zunächst 48 Snacks danach zu bewerten hatten, wie sehr sie sie mögen – etwa Chips und Schokoladenriegel, Salzgebäck und Gummibonbons. Anschließend mussten sie sich im Magnetresonanztomographen (MRT) wiederholt zwischen je zwei Essensangeboten entscheiden. Die Snacks wurden ihnen, verbunden mit bestimmten Orten, auf dem Computerbildschirm präsentiert. Bei der Entscheidung wurden dann aber nur die Orte gezeigt, sodass sich die Probanden an die dazugehörigen Snacks erinnern mussten.

Als Ergebnis bevorzugten die Probanden tendenziell Snacks, an die sie sich besser erinnerten. Mehr noch: Besser erinnerte Snacks wurden auch dann gewählt, wenn sie vergleichsweise unattraktiv waren, also von den Probanden initial schlecht bewertet wurden. Einzig Snacks, die jemand in der Bewertung sehr stark ablehnte, wurden nicht gewählt. Der Vergleichsgruppe mit ebenfalls 30 Probanden wurden die Snacks direkt im Bild präsentiert – bei ihnen deckte sich in der Regel die erste Bewertung mit der späteren Entscheidung.

Die neuronalen Mechanismen der gedächtnisbasierten Entscheidungen untersuchte die Forschungsgruppe mithilfe der funktionellen Magnetresonanztomografie (fMRT) im UKE. Sie entwickelten ein mathematisches Modell, das den Entscheidungsprozess abbildet und den Einfluss des Gedächtnisses mit berücksichtigt. Damit konnten die Wissenschaftler die Stärke der gedächtnisbasierten Aktivierung während der Abspeicherung im Hippocampus bestimmen. Eine Analyse der Aktivierung während der Entscheidungen zeigte, dass eine verstärkte Kommunikation von Hippocampus und dem ventromedialen präfrontalen Kortex stattfindet.

„Unsere Untersuchung bildet eine Brücke zwischen zwei zentralen Forschungsfeldern der Psychologie, der Gedächtnis- und der Entscheidungsforschung“, erläutert der Erstautor der Studie,  Dr. Sebastian Gluth, ehemals Institut für Systemische Neurowissenschaften des UKE, jetzt Fakultät für Psychologie der Universität Basel. Die Kombination von mathematischer Modellierung und den Gehirnscans liefert zudem ein genaues Verständnis darüber, welche Gehirnareale an welchen psychologischen Teilprozessen beteiligt sind und wie die verschiedenen Areale miteinander zusammenspielen. Die Studie entstand in Kooperation mit Dr. Tobias Sommer und Prof. Dr. Christian Büchel, beide ebenfalls aus dem Institut für Systemische Neurowissenschaften des UKE, und Prof. Jörg Rieskamp, Fakultät für Psychologie der Universität Basel.

Literatur:

Sebastian Gluth, Tobias Sommer, Jörg Rieskamp, and Christian Büchel Effective connectivity between hippocampus and ventromedial prefrontal cortex controls preferential choices from memory, Neuron 2015, epub ahead of print. DOI: http://dx.doi.org/10.1016/j.neuron.2015.04.023

Die psychische Gesundheit im Beruf schützen

Das gemeinsame Forschungsprojekt „Resilire“ der Universitäten Freiburg und Erlangen-Nürnberg ist gestartet

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Mit Herausforderungen im Beruf erfolgreich umgehen, stressige Phasen meistern und sogar gestärkt daraus hervorgehen: Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universitäten Freiburg und Erlangen-Nürnberg erforschen im Verbundprojekt „Resilire – Altersübergreifendes Resilienz-Management“, welche Eigenschaften, Einstellungen und Fähigkeiten sich positiv auf die psychische Widerstandskraft – die so genannte Resilienz – von Beschäftigten auswirken. Auf dieser Grundlage entwickeln sie in Kooperation mit dem Softwareunternehmen Haufe Lexware und der Gesellschaft aufgabenorientiertes Lernen für die Arbeit e.V. (GALA) Online- und Präsenzcoachings, die die psychische Gesundheit der Teilnehmenden schützen und fördern. An der Universität Freiburg sind Dr. Nina Pauls, Dr. Christian Schlett und die Projektleiterin Prof. Dr. Anja Göritz von der Professur für Wirtschaftspsychologie an dem Vorhaben beteiligt.

Die Onlinecoachings entwickeln die Wissenschaftler zusammen mit Haufe Lexware. „Unsere konzeptionellen Vorarbeiten fließen mit dem Fachwissen von Haufe Lexware zu den Themen E-Learning und Weiterbildung zusammen“, erklärt Pauls. „Ziel ist ein Produkt mit Übungen, die leicht in den Arbeitsalltag integrierbar sind.“ Die Beschäftigten sollen sich selbst beobachten, indem sie in regelmäßigen Abständen Fragen zu ihrem arbeitsbezogenen Befinden beantworten. Dabei stufen sie sich selbst auf einer jeweils vorgegebenen Skala ein. Auf der Grundlage der so erhobenen Messdaten setzen sie sich mit ihrer Situation auseinander und erkennen, welche Fortschritte sie machen.
Die Präsenzcoachings erarbeiten die Wissenschaftler gemeinsam mit GALA. „Das Angebot soll Teilnehmende in den Unternehmen dazu anregen, sich über ihre Strategien im Umgang mit Belastungen und Stress bei der Arbeit auszutauschen und voneinander zu lernen“, sagt Schlett. Firmen wie die Volksbank Freiburg als maßgeblicher regionaler Partner werden die Konzepte erproben. Ansätze zur Weiterentwicklung der Resilienz der gesamten Organisation sind ebenfalls Teil des Projekts: Teams aus Beschäftigten sollen sich mit Hemmnissen und Fördermöglichkeiten für Resilienz in Arbeitsorganisation und -abläufen sowie in der Zusammenarbeit auseinandersetzen.

Ziel ist zudem, die Erkenntnisse aus Resilire in einem ganzheitlichen und altersübergreifenden Konzept zusammenzuführen und Leitlinien für ein betriebliches Resilienz-Management zu formulieren. „Mit den entwickelten Ansätzen können Betriebe die psychische Gesundheit ihrer Beschäftigten erhalten und stärken“, sagt Pauls. „Sie erschließen Resilienz als betriebliche Ressource und tragen damit langfristig zum wirtschaftlichen Erfolg bei.“

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung fördert Resilire im Förderschwerpunkt „Betriebliches Kompetenzmanagement im demografischen Wandel“ mit insgesamt 1,1 Millionen Euro für drei Jahre. Die Projektkoordination hat die Universität Erlangen-Nürnberg inne. Ein Netzwerk von zehn Umsetzungs- und Transferpartnern unterstützt die Verwertung der Projektergebnisse in der betrieblichen Praxis.

www.resilire.de

Unsere Art zu Gehen beeinflusst, was wir uns merken

Prof. Dr. Johannes Michalak von der Universität Witten/Herdecke erforschte mit Kollegen aus Kanada

den Zusammenhang von Gang und emotionalem Gedächtnis /Biofeedback könnte bei Depression helfen

Wer mit hängenden Schultern dahinschlurft, wird sich eher an negative Dinge erinnern, wer fröhlich läuft, kann sich eher positive Dinge merken – so kann man die Studie von Prof. Dr. Johannes Michalak von der Universität Witten/Herdecke zusammenfassen. Er hat sie mit Kollegen von der Kanadischen Queen’s University nun veröffentlicht. (Abstract unter http://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0005791614000809)

„Viele Studien belegen, dass Bewegung bei Depressionen hilfreich ist, gehen, laufen, wandern. Wir wollten wissen, ob auch die Art des Ganges Einfluss auf depressionsrelevante Prozesse hat“, beschreibt Prof. Dr. Johannes Michalak, Psychologe an der Universität Witten/Herdecke, den Ansatz. Aus früheren Untersuchungen wissen die Forscher, wie Depressive und nicht Depressive gehen (http://biomotionlab.ca/Demos/BMLdepression.html). In der aktuellen Untersuchung haben sie das Gangmuster der Probanden (39 Studierende) so verändert, dass sie entweder fröhlicher oder depressiver gelaufen sind als normal. Dann haben sie ihnen positive (z.B. mutig, attraktiv) oder negative Wörter (z.B. langweilig, dumm) dargeboten und sie sollten entscheiden, ob sie diese Wörter beschreiben. Nach acht Minuten wurde dann ein nicht angekündigter Gedächtnistest durchgeführt. Probanden, die depressiv gelaufen sind, haben mehr negative Wörter behalten (ein Muster, das auch immer wieder bei Depressiven gefunden wird), während Probanden, die fröhlich gelaufen sind, sich mehr positive Wörter gemerkt haben.

„Das zeigt uns, dass unsere Art sich zu bewegen Auswirkung darauf hat, ob wir eher positive oder negative Informationen verarbeiten. Es gibt also einen Zusammenhang zwischen Körper, hier der Gangart, und der Psyche, hier der Art, welche Informationen wir uns merken. Solche Ergebnisse könnten in Zukunft dazu verwendet werden, Behandlungsmöglichkeiten für Depressionen zu entwickeln, die über eine Veränderungen von körperlichen Prozessen wirken“, erklärt Michalak.

Kay Gropp Pressestelle
Universität Witten/Herdecke

Weitere Informationen bei Prof. Dr. Johannes Michalak, 02302- 926 787, johannes.michalak@uni-wh.de

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Die Universität Witten/Herdecke (UW/H) nimmt seit ihrer Gründung 1983 eine Vorreiterrolle in der deutschen Bildungslandschaft ein: Als Modelluniversität mit rund 1.800 Studierenden in den Bereichen Gesundheit, Wirtschaft und Kultur steht die UW/H für eine Reform der klassischen Alma Mater. Wissensvermittlung geht an der UW/H immer Hand in Hand mit Werteorientierung und Persönlichkeitsentwicklung.