Forschungsteam aus Kiel, Frankfurt und Koblenz-Landau veröffentlicht Metastudie
Organisieren, koordinieren, Verantwortung tragen –
Führungskräfte müssen viel leisten und ein verlässlicher Faktor für
Unternehmen und Mitarbeitende sein. Da spielt ihre Gesundheit eine
entscheidende Rolle. Erkenntnisse über das Wohlbefinden von
Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gibt es in der Wissenschaft bereits.
Weniger bekannt ist, wie es um das Wohlbefinden von Führungskräften
steht und wie sich das auf ihren Führungsstil auswirkt. Ein
Forschungsteam von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der
Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU), der Goethe-Universität
Frankfurt am Main und der Universität Koblenz-Landau veröffentlichte
kürzlich eine Metastudie über dieses Zusammenspiel in dem international
renommierten Fachjournal Work & Stress.
Wohlbefinden und Führungsstil hängen zusammen
„Für den Zusammenhang zwischen dem Führungsverhalten von
Führungskräften und ihrem eigenen Wohlbefinden nahmen wir an, dass die
Art, wie sie ein Team anleiten dann positiv ausfällt, wenn sie zufrieden
sind und es ihnen gut geht. Das erleichtert dann wiederum, positives
Führungsverhalten zu zeigen“, sagt Ko-Autorin Professorin Claudia
Buengeler vom Kieler Institut für Betriebswirtschaftslehre. Die
Metastudie bestätigt die Annahmen des Forschungsteams, dass ein hohes
Wohlbefinden mit konstruktivem Führungsverhalten in Zusammenhang steht.
Ferner fand das Team heraus, dass gestresste, emotional erschöpfte und
von Burnout bedrohte Vorgesetzte zu einem eher negativen Führungsstil
neigen beziehungsweise, dass negatives Führen mit einem geringeren
Wohlbefinden in Zusammenhang steht.
Originalpublikation:
Antonia J.
Kaluza, Diana Boer, Claudia Buengeler & Rolf van Dick (2019):
Leadership behaviour and leader self-reported well-being: A review,
integration and meta-analytic examination, Work & Stress, DOI:
10.1080/02678373.2019.1617369
Theoretische und empirische Erkenntnisse miteinander verknüpfen
Das Forschungsteam besteht neben Claudia Buengeler aus
Erstautorin Antonia Kaluza (Institut für Psychologie an der
Goethe-Universität Frankfurt am Main), Diana Boer (Institut für
Psychologie an der Universität Koblenz-Landau) sowie Rolf van Dick
(ebenfalls Institut für Psychologie an der Goethe-Universität Frankfurt
am Main). Für die Metastudie haben sie zunächst die wichtigsten Theorien
über den Zusammenhang zwischen dem Wohlbefinden von Führungskräften und
ihrem Führungsstil aus insgesamt 88 Forschungsarbeiten zusammengetragen
und neu bewertet. Anschließend haben sie die Ergebnisse dieser Studien,
in denen über 12.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer befragt wurden,
statistisch zusammengefasst. Dieses Vorgehen erlaubt, den
Forschungsstand eines Forschungsfeldes sowohl theoretisch als auch
empirisch zu integrieren und somit einen hohen Erkenntnisgewinn zu
generieren.
Ein Anlass für eine Metaanalyse sei laut Buengeler aus folgendem
Grund gegeben: „In der Personalforschung kam das Thema Gesundheit,
insbesondere in Bezug auf Führungskräfte, erstmals vor rund zehn bis 20
Jahren auf, nur wenige Studien sind älter. Nach dem Wohlergehen von
Führungskräften zu fragen war – wenn überhaupt – oft nur ein
Nebenschauplatz.“ Sie fügt hinzu: „Wir haben es also mit einem sehr
jungen Forschungsfeld zu tun, in dem gerade in den letzten Jahren ein
sprunghafter Anstieg von wissenschaftlichen Veröffentlichungen zu
verzeichnen ist. Unsere Metaanalyse fasst all diese Erkenntnisse
zusammen und kann somit richtungsweisend für zukünftige Forschung auf
diesem Gebiet sowie die Unternehmenspraxis sein.“
Drei konstruktive Führungsstile, ein positiver Effekt
Es gibt drei Arten von konstruktiven Führungsstilen: Um eine
Führungsrolle erfolgreich auszuüben, kann der Teamleiter oder die
Teamleiterin beziehungsorientiert, veränderungsorientiert oder
aufgabenorientiert führen. Die beziehungsorientierte Herangehensweise
zeichnet sich durch das Schaffen einer positiven Arbeitsbeziehung –
durch ein Geben und Nehmen zwischen Führungskraft und Mitarbeitenden –
aus. Dabei stehen die Bedürfnisse der Mitarbeitenden im Fokus; sie
fühlen sich unterstützt. Veränderungsorientiert (zum Beispiel durch
transformationale Führung) geht vor, wer seine Mitarbeitenden aus
eigenem Antrieb heraus (also intrinsisch) motiviert, über sich selbst
hinauszuwachsen und Veränderungen offen gegenüber zu stehen. Beim
aufgabenorientierten Vorgehen (etwa durch transaktionale oder direktive
Führung) macht die Führungskraft klare Vorgaben und überwacht die
Zielerreichung.
„Wir konnten feststellen, dass alle drei konstruktiven Führungsstile
einen positiven Zusammenhang mit dem Wohlbefinden der Führungskräfte
aufweisen“, sagt Buengeler. „Den stärksten Einfluss hat der
veränderungsorientierte Ansatz, den zweitstärksten der
beziehungsorientierte, gefolgt von der aufgabenorientierten
Herangehensweise. Umgekehrt gehen wir davon aus, dass sich ein hohes
Wohlbefinden positiv auf das von Führungskräften gezeigte
Führungsverhalten auswirkt.“
Destruktive Führung begünstigt schlechtes Wohlbefinden
Unter destruktiver Führung leiden beispielsweise die
Arbeitszufriedenheit, das Engagement sowie das Wohlbefinden der
Mitarbeitenden – Stress wird dadurch auch bei den Führungskräften
verstärkt. Destruktive Führung beinhaltet neben einem aktiv destruktiven
Stil (zum Beispiel despotisches oder autokratisches Verhalten,
psychischer Missbrauch, Mobbing) auch passives Führungsverhalten.
Passives Verhalten äußert sich zum Beispiel in einer
Laissez-faire-Führung. Das Problem hier: Die Führungskraft führt ihre
Mitarbeitenden nicht, setzt keine Grenzen, nimmt ihnen keine
Entscheidungen ab oder ist einfach nicht für sie da. Das Forschungsteam
konnte zeigen, dass aktiv destruktive Führung zwar stärker negativ mit
dem Wohlbefinden der Führungskräfte in Zusammenhang steht als passive
Führung. Dennoch wirkt auch passive Führung keineswegs neutral, sondern
negativ auf ihr Wohlbefinden. Da das Verhalten von Führungskräften
wiederum das Wohlbefinden von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern
beeinflusst, sind die Vermeidung von destruktivem Führungsverhalten
sowie die Stärkung des Wohlbefindens von Führungskräften wichtige
Ansatzpunkte für ein nachhaltiges Gesundheitsmanagement in Unternehmen.
Bewusstsein schaffen und Maßnahmen entwickeln
Das Ziel der Studie ist zum einen, ein Bewusstsein in der
Gesellschaft dafür zu schaffen, dass das Wohlbefinden von
Führungskräften ebenso wichtig ist wie das der Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter, die sie anleiten. Zum anderen geht es darum, negative
Verhaltensmuster zu erkennen, diese zu durchbrechen und sie langfristig
zu verändern. „Um strukturelle Maßnahmen zu schaffen, die den
Führungskräften helfen, ihre Rolle effektiv auszuüben, muss zunächst
klar sein, was bei schlechtem Wohlbefinden tatsächlich helfen kann“,
meint Buengeler. „Neben gezielten Trainingsmaßnahmen für Führungskräfte
sind Unternehmen auch gefragt, mehr Freiräume zu schaffen und Zeit
einzuräumen, damit Führungskräfte ihre Rolle reflektierter und aktiver
wahrnehmen können.“
Die Metastudie bildet den Auftakt einer Reihe von Veröffentlichungen
rund um das Thema Führung und Gesundheit. An dem Gesamtprojekt ist auch
die Amsterdam Business School der Universität Amsterdam beteiligt.